Die Lebensweise des Veganismus beruht vor allem auf Empathie und ist aus dem Ziel heraus entstanden, die Ausbeutung von Tieren durch den Menschen und das Tierleid zu beenden. Die Lebensweise geht jedoch mittlerweile darüber hinaus. VeganerInnen verzichten daher auch auf Materialien wie Leder, Wolle, Seide, Kaschmir oder andere von Tieren stammenden Rohstoffe. Als vegane Kleidung könnte somit ein Pullover aus Baumwolle, ein Kleid aus Viskose als auch eine Tasche aus Kunstleder bezeichnet werden. Besonders im Kontext mit Lederalternativen hat sich der Begriff „veganes Leder“ mittlerweile fest im Markt etabliert.
Der Vorteil von veganer Kleidung ist zunächst, dass es keine tierischen Materialien enthält. Dadurch kommt kein Tier, von dem der Rohstoff direkt stammt, zu Schaden und zudem entfällt die ressourcen- und landintensive Viehzucht.
In der Viehzucht werden allgemein viele Ressourcen sowie Weide- und landwirtschaftliche Nutzflächen gebraucht, wodurch hohe Mengen an Treibhausgasemissionen anfallen. Der größte Anteil der Treibhausgasemissionen entsteht dabei grundsätzlich im Anbau von Futtermitteln wie Soja und durch den Ausstoß von Methan während des Gärung- und Verdauungsprozesses von Wiederkäuern. Zudem trägt die Viehwirtschaft erheblich zur Abtragung der Böden, Waldrodung, Wassernutzung sowie -verschmutzung und zum Verlust der biologischen Vielfalt bei. Die intensive Rinderzucht, insbesondere die Lederindustrie in Brasilien, wird hier immer wieder als besonders kritisch gesehen, um die Emissionen zu reduzieren, ebenso die Schafzucht für Wolle in Australien.
Durch den Verzicht von tierischen Materialien könnte somit die Nachfrage nach tierischen Erzeugnissen durch die Modeindustrie verringert werden. Dies könnte wiederum die Reduzierung von Viehbeständen theoretisch unterstützen. Jedoch muss dies vor einem weiterhin steigenden, weltweiten Fleischkonsum betrachtet werden.
Bei all diesen gewichtigen Vorteilen – kann es da wirkliche Nachteile geben? Vor allem wenn der Verzicht tierischer Materialien aus Emissionssicht für sich spricht? Die Antwort ist komplexer als es auf den ersten Blick scheint, denn es ist nicht immer sinnvoll, tierische Produkte mit veganen Alternativen einfach zu ersetzen. Denn was als vegan vermarktet wird, ist deswegen nicht immer unbedingt besser für die Umwelt!
Die Problematik veganer Kleidung liegt zum einen daran, dass für vegane Alternativen gerne synthetische Materialien, also Plastik, eingesetzt wird. Kunstleder oder auch Polyester bestehen aus nicht-erneuerbaren, fossilen Brennstoffen. Sie zeichnen sich meist durch kürzere Nutzungsphasen und eine geringere Qualität aus und geben beim Waschen sowie Tragen kleinste Mikroplastikfasern und -partikel ab, dies gilt auch insbesondere für recyceltes Plastik. Ebenso sind sie weder abbaubar noch mit den derzeitig am Markt verfügbaren Technologien recycelbar. Forscher*innen weisen darauf hin, dass die schädlichen Folgen der Nutzung und Entsorgung synthetischer Materialien und die daraus entstehende Plastikverschmutzung stark unterschätzt werden und die Verwendung von Kunstfasern dringend reduziert werden muss.
Auch pflanzlich-basierte Alternativen wie Ananas-, Pilz- oder Korkleder kommen noch nicht ganz ohne Plastik aus. Um den Materialien die typische Ledercharakteristik zu verleihen und sie haltbar zu machen, müssen diese ebenfalls mit einer synthetischen Beschichtung (meist PU oder PVC) überzogen werden.
Die Recycling-Fähigkeit sowie Langlebigkeit von bio-basiertem Leder ist bisher noch nicht ausreichend erforscht. Das Potenzial dieser Materialien ist groß, insbesondere wenn mit Abfallprodukten und Rohstoffen gearbeitet wird, die wenig Ressourcen im Anbau benötigen, wie beispielsweise Pilzleder.
Obwohl tierische Materialien in ihrer Produktion selbst einen vergleichbar hohen ökologischen Fußabdruck haben, erweisen sie sich in der Nutzungsphase als besonders energieschonend, robust und langlebig. Wenn wir uns eine hochwertige Ledertasche ansehen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese über Generationen weitergegeben und gepflegt werden kann, immer noch deutlich höher verglichen mit ihren veganen Alternativen. Ebenso ist ein Wollpullover in seiner Nutzungsphase deutlich umweltschonender und langlebiger verglichen mit einem Pullover aus Acryl oder auch Baumwolle. Studien haben gezeigt, dass ein längeres Tragen und eine optimale Pflege kombiniert mit einem Übergang zu Fasern, die deutlich weniger gewaschen werden müssen, ein besonders großes Potenzial hat, die Umweltauswirkungen deutlich zu verringern. So können die ökologischen Auswirkungen eines Wollpullovers beispielsweise um rund 75 % reduziert werden. Die Betrachtung der Auswirkungen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts ist daher essenziell und darf in der Gesamtbetrachtung des ökologischen Fußabdrucks nicht fehlen.
Ebenso muss in dem Kontext bedacht werden, welche sozialen und ökologischen Auswirkungen das Ersetzen von tierischen Materialien mit veganen Alternativen mit sich bringt. Denn was ebenso gerne vergessen wird in der Diskussion, ist der sozio-ökonomische Aspekt. Der Großteil der tierischen Materialien und Fasern weltweit wird von Kleinbauern, vor allem – aber nicht nur – in ländlichen Regionen im globalen Süden erzeugt. Alpakas werden in den Höhenlagen der Anden in Südamerika vorwiegend von der dort ansässigen indigenen Bevölkerung gezüchtet und stellen eine uralte Kultur, Tradition sowie Lebensgrundlage dar. Ebenso stellt Seide in China für einen Teil der ländlichen Bevölkerung die einzige Lebensgrundlage dar. Faserproduzent*innen weltweit gehören zu den ärmsten und vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen. Sie sind vom Anbau dieser Fasern und Materialien ökonomisch abhängig. Wenn die Nachfrage sinkt, sind sie gezwungen, einen anderen Rohstoff anzubauen. Ob dieser nun besser für die Umwelt und ertragreicher für die Menschen ist, ist wiederum fraglich.
Letztendlich ist es immer eine persönliche Entscheidung, ob man tierische Materialien tragen möchte oder nicht. Aus ökologischer Sicht allein macht vegane Kleidung jedoch nicht immer Sinn!
Grundsätzlich solltest du dich immer zuerst fragen, wie oft und wie lange du das Produkt tragen wirst. Als Konsument*in ist das für dich zunächst der wichtigste Faktor, der die Umweltauswirkungen eines Produkts deutlich reduzieren kann. Je länger und je öfter du ein Produkt tragen kannst, desto besser.
Besonders bei Trendprodukten, die nur eine kurze Lebensdauer haben und häufig gewaschen werden müssen, solltest du auf synthetische Materialien als vegane Alternative so gut es geht verzichten.
Lederhosen und -Blazer sowie Ledermäntel im Matrix-Stil der 90er Jahre feiern gerade ein großes Revival. Anstatt dir ein neues Produkt zu kaufen, greife hier lieber auf Vintage-Klassiker zurück. Ebenso kannst du dir Trend-Teile über einen Rental-Service leihen und testen, ob du das Produkt überhaupt mit deiner bestehenden Garderobe kombinieren kannst und langfristig tragen würdest.
Wenn du aus ethischer Überzeugung keinerlei tierische Materialien tragen möchtest, sind bio-basierte Lederalternativen eine gute Alternative zu rein synthetischen Materialien. Wenn die Marke bereits öffentlich über das Thema Plastik spricht, ist das schon mal ein gutes Zeichen, dass sie sich mit dem Thema Beschichtung auseinandersetzen.
Auch bei pflanzlich und pflanzlich-basierten Fasern solltest du, wenn möglich auf die Best Practices achten. Recycelte Baumwolle, Tencel TM Lyocell sowie Pflanzenfasern aus biologischem Anbau wie Hanf oder Leinen sind umweltfreundliche Alternativen.
Wenn Brands zudem in ihrer Lieferkette selbst aktiv sind und beispielsweise direkt und langfristig mit Faser-Erzeuger*innen zusammenarbeiten oder Initiativen vor Ort unterstützen, ist das ein gutes Zeichen, dass sie Nachhaltigkeit ernst nehmen.
Wenn du vorwiegend aus ökologischer Sicht handeln möchtest, könntest du, anstatt einen Pullover aus Acryl oder Baumwolle zu kaufen, auf recycelte Tierfasern zurückzugreifen. Es gibt mittlerweile viele Brands, die mit recycelter Wolle, Kaschmir aber auch Leder arbeiten.
So können (Vor-)Produktionsabfälle sowie ungenutzte und alte Kleidung in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Quellen zu diesem Thema:
https://eco-age.com/wp-content/uploads/2022/03/Great-Green-Washing-Machine-Report-Part-2_FINAL.pdf
https://link.springer.com/article/10.1007/s11367-020-01766-0#Sec17
https://www.vogue.co.uk/fashion/article/is-vegan-fashion-sustainable
https://www.veronicabateskassatly.com/read/silk-stories-part-2-yellow-peril-or-green-dressing
https://bioplasticsnews.com/2019/08/10/can-bio-based-polyols-make-leather-finishes-more-sustainable/
https://link.springer.com/content/pdf/10.1186/s42825-020-00035-y.pdf
https://fashionchangers.de/fungi-everywhere-wie-pilzleder-gerade-die-fashion-welt-erobert/