Recycling in der Textilproduktion ist wichtig, weil die Welt ein Problem namens Überkonsum hat. Angefeuert vom dominierenden Fast-Fashion-Segment, in dem immer mehr Kleidung immer billiger angeboten wird, kaufen wir auch immer mehr: 2015 war es schon doppelt so viel wie noch 2000, Tendenz steigend. Zehn Prozent aller CO2-Emissionen gehen laut Bundesentwicklungsministerium (BMZ) auf das Konto der Bekleidungs- und Textilindustrie – so viel wie Deutschland, Russland und Japan zusammen ausstoßen. Wenn sich nichts ändert, wird die Modebranche bis 2050 wohl ein Viertel des weltweiten Kohlenstoffbudgets verbrauchen.
Zu den ausbeuterischen Arbeitsbedingungen vor allem in den Herstellerländern, die für eine so günstige und schnelle Produktion erforderlich ist, kommen Umweltschäden und Verschwendung der Ressourcen: Durch hohen Wasserverbrauch sowie den Einsatz von Chemikalien, Insektizide und Pestizide, Düngemittel gilt der Textilsektor nach der Ölindustrie als einer der weltweit größten Verschmutzer von Klima, Wasser und Böden.
Wer hofft, dass seine aussortierte Kleidung in einer ewigen, umweltschonenden Kreislaufwirtschaft zu neuen Textilien recycelt werden, wird enttäuscht: Zwar kann etwa jedes vierte Kleidungsstück weiterverwertet werden, das in Deutschland im Altkleidercontainer landet. Doch daraus entsteht fast nur minderwertige Ware wie Putzlappen, Malervlies oder Isolier- und Füllstoffe, die letztlich auch wieder auf dem Müll landen.
Nur ein verschwindend geringer Anteil – Experten gehen von einem Wert zwischen 0,1 und 1 Prozent des weltweit hergestellten Materials aus – wird durch das sogenannte Faser-zu-Faser-Recycling wirklich zu neuer, hochwertiger Ware.
Textilrecycling ist vor allem deshalb schwierig, weil die meiste alte Kleidung aus vielen verschiedenen Fasermischungen aus Natur- und Chemiefasern bestehen. Sie lassen sich nur unter bestimmten Bedingungen durch chemisches oder mechanisches Recycling wiederverwerten. Je mehr verschiedene Fasern ein Kleidungsstück enthält, desto aufwändiger oder sogar unmöglich wird der Prozess und damit für die meisten alten Kleider unrentabel. Die wenigsten Unternehmen setzen deshalb freiwillig auf diese Art der Materialgewinnung, da es wesentlich günstiger ist, frische Ware zu verarbeiten. So kommt es, dass weniger als drei Prozent der Ausgangsmaterialien für die Kleidungsindustrie recycelte Rohstoffe sind.
Chemisches Recycling ist ein Verfahren, bei dem etwa Kleidung aus Kunststoff zerkleinert, mit Chemikalien in ihre Grundbausteine zersetzt und zu neuen Polyesterfasern verarbeitet wird . Dieses Verfahren wird auf dem Markt bisher allerdings nicht wirklich genutzt.
Eine andere Möglichkeit, bereits kommerziell tatsächlich eingesetzte Technologie, ist mechanisches Recycling, das im Bereich Textilrecycling unter anderem mit PET-Flaschen stattfindet. Die Plastikflaschen werden dabei mechanisch zerkleinert, die entstandenen Flakes gewaschen, sortiert, erhitzt, geschmolzen und granuliert. Am Ende kann so Polyester aus recyceltem Plastik entstehen.
Bei Textilien aus Mischgewebe stößt das mechanische Recycling an seine Grenzen. Vor allem Alttextilien aus Baumwolle oder Wolle können bislang beim mechanischen Recycling verwertet werden. Dafür werden die Stoffe für die Weiterverarbeitung geschreddert. Das verkürzt die Fasern jedoch, die Qualität der einst langen Fasern nimmt dadurch deutlich ab. Um durch mechanisches Recycling ein Garn in ausreichend guter Qualität zu erhalten, muss deshalb ein Mehranteil an neuen Baumwoll- oder Woll-Fasern beigemischt werden. Meist sind es zwischen 60 bis 80 Prozent. Damit ist der Recycling-Effekt relativ gering. Deshalb wird Recycling-Wolle und -Baumwolle deshalb oft nur downgecycelt – zu oben erwähnten Dämm- und Wärmematerialien (auch für Kleider), Putzlappen oder Füllstoffen.
Besonders schwierig ist sowohl chemisches Recycling als auch mechanisches Recycling bei Schuhen: Sie bestehen aus bis zu 40 Einzelteilen, die voneinander getrennt werden müssen. Wenn chemisches Recycling oder mechanisches Recycling überhaupt möglich ist, ist das aber unverhältnismäßig teuer.
Von allen Materialien, die für die Textilproduktion interessant sind, lässt sich reines Polyester (PET) am besten wiederverwerten: Durch mechanisches Recycling entstehen recycelte, synthetische Fasern (auch: Rezyklate), die die gleichen Eigenschaften wie das Ausgangsmaterial haben. Allerdings kostet recyceltes Polyester (rPET) wegen des aufwändigen Verfahren zehn bis 20 Prozent mehr als herkömmliches Polyester.
Die meisten Recyclingfasern aus Polyester haben ihren Ursprung aber nicht in alten Kleidern, sondern in transparenten Plastikflaschen (PET). Das ist zwar nicht perfekt, jedoch ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auch aus Produktionsabfällen, Schnittabfällen, alten Fischernetzen, Autoreifen oder Fertigungsresten („Pre- und Post-Consumer Waste“) lässt sich Neues herstellen, das man tragen kann.
Generell bemängeln Kritiker beim Plastik-Recycling aber die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und der Erdölindustrie sowie das Entfernen von Plastikflaschen aus einem geschlossenen Kreislauf. Zudem bleibt das Problem des enthaltenen Mikroplastiks bestehen, das sich beim Waschen und Tragen herauslöst und kaum gefiltert in der Umwelt landet.
Die Textilbranche weiß, dass sie vor einer großen Herausforderung steht. Sie muss nachhaltiger werden, um zukunftsfähig zu bleiben. Deshalb entstehen immer neue Verfahren, gerade im Bereich chemisches Recycling. Gut recycelbares Polyester etwa kann inzwischen allein mit Wärme, Wasser und biologisch abbaubaren Chemikalien von andern Fasern getrennt werden. Allerdings passiert das noch nicht im großen Stil, die beteiligten Textilunternehmen sind aber dran.
Auch für Baumwolle gibt es inzwischen ein Verfahren für chemisches Recycling, mit dem die synthetischen Fremdfasern herausgelöst werden können. So entsteht biologisch abbaubare Viskose aus reiner Baumwollzellulose. Dieser Prozess lässt sich mehrfach wiederholen und ist so gut, dass damit auch in der Massenfertigung gearbeitet werden kann.
Das Hongkong Research Institute of Textiles and Apparel arbeitet zudem an einem enzymatischen Verfahren, mit dem erstmals Mischfasern recycelt werden können. Wann diese neuen Technologien marktreif sind, ist jedoch auch hier noch unklar.
Der vielleicht wichtigste Step: künftig schon beim Designprozess an hochwertiges Textilrecycling denken. So könnten sichere, energieeffiziente und endlos funktionierende Recycling-Prozesse entstehen – im umweltschonenden Kreislauf des Cradle-to-Cradle-Prinzips (quasi: von der Wiege zurück in die Wiege). Das funktioniert allerdings nicht mit Mischfasern, sondern nur mit natürlichen oder synthetischen, sortenreinen Materialien, weshalb etwa die Textilien so gestaltet werden müssten, dass sich die Bestandteile später wieder trennen lassen und Farbstoffe oder Etiketten biologisch abbaubar sind.
Zudem bräuchte man Vorreiter, die als nachhaltig agierende Vorbilder fungieren. Dazu: Gesetze für mehr Transparenz, besseres Abfallmanagement, effiziente Systeme fürs Textilrecycling, ein Verbot für Deponierung und die Vermittlung von Know-How, das die Umwelt ins Zentrum stellt. Bis es soweit ist, wird die Verantwortung ungerechterweise den KonsumentInnen auferlegt.
Für mehr Textilrecycling im Kleinen könnten wir es erst mal traditionell angehen, also: gebraucht shoppen und bewusst weniger kaufen, länger tragen, gut pflegen, reparieren. So wird auch weniger hergestellt, was die Natur am ehesten schont. Auch wichtig: Beim Neukauf auf die Materialzusammenstellung achten und auf Mischungen möglichst verzichten. Denn je mehr verschiedene Fasern enthalten sind, desto schwieriger ist das Recycling.
Beim Kauf recycelter Textilien sollte man zunächst die Angaben zum Thema Nachhaltigkeit hinterfragen. Denn da der Begriff rechtlich nicht geschützt ist, machen manche Unternehmen damit lediglich PR, um besser da zu stehen – statt im Kern wirklich nachhaltig zu handeln. Man spricht dann von Greenwashing, salopp übersetzt von Grünfärberei.
Am besten findet man also heraus: Setzt ein Shop oder ein Label wirklich an der Basis an und kümmert sich auch um eine umweltschonende Wertschöpfungskette? Wunderbar. Lenkt der Anbieter dagegen nur mit einzelnen Linien vom umweltschädlichen Ganzen ab oder gibt, wenn man alte Textilien zurückbringt, Kaufgutscheine aus und befeuert so den Konsum einmal mehr? Dann eher so: Naja.
Wer trotzdem bei einer großen Marke Recycling-Textilien kauft, setzt damit immerhin ein gewisses Signal für die Branche. Denn je mehr wir als KundInnen ökologisches Recycling fordern, desto deutlich wird für der Industrie, dass Bedarf besteht.
https://utopia.de/ratgeber/recycling-sneaker/
Nora Schönherr: E-Book „Recycelte Polyesterfasern in der Bekleidungsindustrie“, über fashionchangers.de