Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der inzwischen in fast jedem Bereich unseres Lebens angekommen ist: Lebensmittelhersteller werben mit nachhaltigem Anbau, Verpackungen werden nachhaltig produziert und die neuen Kollektionen der großen Modehäuser sind jetzt auch nachhaltig. Aber was versteht man unter Nachhaltigkeit in der Modeindustrie eigentlich?
Eine der bekanntesten Definition für Nachhaltigkeit stammt aus dem UN-Bericht „Our Common Future” von 1987. Dort wird nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung definiert, die die Bedürfnisse heutiger Generationen stillt, ohne die zukünftiger Generationen zu gefährden. Die Modeindustrie sollte also auf eine Weise agieren, die die Bedürfnisse der heutigen Bevölkerung erfüllt und gleichzeitig die kommender Generationen nicht gefährdet.
Um diese vage und doch komplexe Definition zu vereinfachen, kann man im Kontext der Modeindustrie die genannten Bedürfnisse in drei Kategorien aufteilen.
Wenn von Menschenrechten in der Modeindustrie gesprochen wird, muss an die gesamte Wertschöpfungskette gedacht werden. Die Fair Wear Foundation hat acht Arbeitsstandards aufgestellt, die das Einhalten von Menschenrechten in der Modeindustrie garantieren sollen:
Das Bedürfnis, das Wohlergehen von Tieren zu schützen, ist oft emotionaler Natur. Die meisten Menschen lieben Tiere und wollen, dass auch ihre Kinder noch in einer Welt voller Artenvielfalt leben können. In der Nachhaltigkeit hat der Tierschutz aber auch einen ganz pragmatischen Grund: Artenvielfalt spielt eine entscheidende Rolle im Erhalt der Ökosysteme, in denen wir leben.
Unsere Umwelt zu schützen bedeutet, Lebensräume und Ressourcen für zukünftige Generationen zu beschützen. Zu diesen Ressourcen gehören fossile Brennstoffe wie Erdöl und seltene Erden, aber auch fruchtbares Land und Trinkwasser. In Bezug auf die aktuelle Klimakrise bedeutet es auch, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen und Treibhausgasemissionen (THG) zu reduzieren.
In einer wahrhaft nachhaltigen Textilindustrie würden Textilien unter humanen Arbeitsbedingungen und zu einem fairen Lohn produziert, wobei kein Tier zu Leid käme und die Umwelt weder durch die Herstellung noch durch die später entstandenen Produkte zu Schaden käme.
Der Realität entspricht dieses Bild leider (noch) nicht. Warum die Modeindustrie eine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt darstellt, erklären wir hier.
Mehr als 60 Millionen Tonnen an Kleidung werden jährlich produziert, die dazu beitragen, dass die Modeindustrie zu einer der umweltschädlichsten Industrien zählt.
Laut McKinsey ist sie für 4% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das klingt vielleicht nicht nach viel, ist aber das Äquivalent zu den THG-Emissionen von Deutschland, Frankreich, und dem Vereinigten Königreich zusammen. Der Ursprung von Polyesterfasern basiert zu 99% auf fossilen Brennstoffen wie Erdöl, einer begrenzten Ressource, und bringt ein Material in den Umlauf, das nicht mehr abgebaut werden kann: Plastik.
Damit ist die Textilindustrie für mehr als ein Drittel des Mikroplastiks verantwortlich, das in unseren Weltmeeren zu finden ist. Aber auch natürliche Fasern haben ihren Preis: der Anbau von Baumwolle nimmt weltweit über 31 Millionen Hektar in Anspruch.
Immer wieder hört man in den Schlagzeilen, dass große Modehäuser ihre ArbeiterInnen nicht bezahlen. Dabei geht es nie um VerkaufsmitarbeiterInnen oder gar ManagerInnen, sondern immer um die Menschen, die am Anfang der Lieferkette stehen. Als Anfang 2020 COVID-19 ausbrach, hieß das für viele Marken, dass bereits in Auftrag gegebene Kollektionen nicht verkauft werden können – für ArbeiterInnen in den Produktionsstätten hatte das die Folge, dass sie für bereits fertige Kollektionen nicht mehr bezahlt wurden. Dass Modeunternehmen ihre ArbeiterInnen nicht fair bezahlen, war allerdings schon vor Corona gang und gäbe.
Oftmals gibt es keine legale Grundlage für das Bezahlen von Existenzlöhnen, womit Löhne bezeichnet werden, von denen ArbeiterInnen ihre Grundbedürfnisse wie Unterbringung, Nahrung und Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, abdecken können. Die Unternehmen orientieren sich deshalb an den Mindestlöhnen in den jeweiligen Produktionsländern, wenn solche denn vorliegen. Was das für ArbeiterInnen bedeutet, lässt sich am Beispiel von Indien schnell erkennen: Laut Angaben der Kampagne für Saubere Kleidung entspricht der Mindestlohn dort 94 Euro im Monat – der Existenzlohn liegt allerdings bei 297 Euro im Monat.
Statt fairer Löhne gibt es also Hungerlöhne, wozu Überstunden und gefährliche Arbeitsbedingung noch hinzukommen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013, bei dem über 1,200 Menschen ums Leben kamen. Ein aktuelleres Beispiel kommt aus Marokko, wo es durch Überflutung in einer illegalen Fabrik zu einem elektrischen Kurzschluss kam, bei dem Anfang Februar 2021 über 28 Menschen starben.
In der Modebranche werden hauptsächlich fünf Tierprodukte verwendet: Leder, Wolle, Pelz, Daunen und Seide. Die Auswirkungen davon sind jede Menge Leid, aber auch schwere Umweltfolgen. Übermäßige Tierzucht zerstört Land, verbraucht enorme Mengen an Energie und gehört zu den wichtigsten Verursachern der globalen Erwärmung.
Die gute Nachricht: Es ist Besserung in Sicht. Während die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten in der Bevölkerung immer mehr steigt, prognostiziert ThredUp, dass zirkuläre Geschäftsmodelle, wie das Mieten oder der Wiederverkauf von Second-Hand-Ware, den traditionellen Einzelhandel in den nächsten 10 Jahren überholen wird. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Unternehmen reagieren und ihre bisherigen Praktiken überarbeiten. Vor allem Fast Fashion hat in einer nachhaltigen Textilindustrie keine Zukunft, denn Massenproduktion kann niemals nachhaltig sein.
Um als KonsumentIn den Durchblick zu behalten, haben wir ein paar Fragen gesammelt, die du dir stellen kannst, wenn du dir unsicher bist, ob ein Kleidungsstück wirklich nachhaltig ist.
Transparenz, besonders in der Modeindustrie, ist der Hauptindikator für die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens. Marken wie Patagonia oder Asket machen das vor. Auf Patagonias Website lässt sich mit ein paar Klicks sehen, welche Materialien sie benutzen und wo diese, von Anbau bis zum finalen Kleidungsstück, produziert werden. Asket hat 2019 „The Impact Receipt”, ein Kassenzettel, auf dem die Umweltbelastung des einzelnen Kleidungsstücks bis ins Detail dokumentiert wird. Damit setzen sie auch ein klares Zeichen gegen Greenwashing, wenn Unternehmen die wahren Auswirkungen ihres Geschäfts hinter vagen Aussagen und grünen Kollektionen verstecken.
Gut ist, wenn ein Kleidungsstück nur aus einem einzigen Material gefertigt ist. Das macht es am Ende seines Lebens leichter, wiederverwertet zu werden, ohne dass die Materialien durch einen aufwendigen und umweltschädlichen Prozess separiert werden müssen. Noch besser ist es, wenn möglichst keine Plastikfasern, wie z.B. Polyester, verwendet werden. Auch wenn viele Unternehmen recyceltes Polyester oder Nylon für ihre Produkte verwenden, handelt es sich hierbei nicht um eine langfristige Lösung, denn meistens ist der recycelte Anteil in diesen Produkten gering. Der Rest ist neu beigefügter Rohstoff und trägt weiter zum weltweiten Plastikproblem bei.
Für bereits vorhandenes Plastik ist Recycling aber ein Schritt in die richtige Richtung und wird auch in der Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen. Ob man tierische Produkte nun boykottiert ist oftmals eine moralische und sehr persönliche Frage. Gerade für Leder, das viele als robustes und haltbares Material schätzen, gibt es inzwischen jede Menge (umwelt-) freundlichere Alternativen.
Wie beim Thema Transparenz, gilt auch hier die Vorsicht vor Greenwashing. Viele Unternehmen haben inzwischen ihre eigenen Siegel und Standards, die schwer nachzuvollziehen und kaum überprüfbar sind. Wenn du dir unsicher bist, kann oft schon eine kurze Googlesuche helfen: Wenn ein Siegel nur auf der Website eines Unternehmens oder der Unternehmensgruppe (z.B. Inditex für Zara, Bershka, Pull&Bear, etc.) existiert, dann vermutlich, weil es von diesen Unternehmen erfunden wurde. Offiziell anerkannte Siegel, wie z.B. von PETA-Approved Vegan für Tierschutz oder die Mitgliedschaft eines Unternehmens bei der Fair Wear Foundation, die sich für das Einhalten von Menschen- und Arbeitsrechten einsetzt, sind wesentlich aussagekräftiger.
Auch wenn es sich so anfühlen kann, als hätte man als VerbraucherIn keinen Einfluss auf die Geschäftspraktiken der großen Marken, gibt es doch ein paar Wege, wie wir zu mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie beitragen können. Ein wichtiger Faktor, wie wir Kleidung nachhaltiger machen können, ist, wie wir mit unserer eigenen Kleidung umgehen.
Das beginnt bereits vor dem Kauf eines neuen Kleidungsstücks mit zwei wichtigen Fragen: „Kann ich das neue Teil mit dem Großteil meiner Garderobe kombinieren?” und „Aus welchen Materialien besteht das Kleidungsstück?”. Ist die Antwort auf die erste Frage Nein, dann handelt es sich vermutlich um einen Impulskauf und man lässt besser die Finger davon. Um die zweite Frage zu beantworten, reicht ein kurzer Blick auf das Etikette, denn dort steht, woraus das Kleidungsstück gemacht wurde. Diese Information ist nicht nur wichtig für die Pflege eines Kleidungsstücks, sondern auch für die spätere Wiederverwertbarkeit des Materials.
Die richtige Pflege kann die Lebensdauer unserer Lieblingsteile um ein vielfaches verlängern, weshalb es sich durchaus lohnen kann, sich über die Anforderungen verschiedener Materialien zu informieren. Für die spätere Wiederverwertung eines Kleidungsstücks gilt die Faustregel: Weniger ist mehr. Wenn möglich, sollte man Mischmaterialien also vermeiden, da diese besonders schwer zu recyceln sind. Wer gerne mehr Abwechslung im Kleiderschrank hat, kann Kleidung mieten oder mit FreundInnen tauschen, statt neu zu kaufen. Und wenn ein Teil nicht mehr getragen wird, kann man es weiterverkaufen, -verschenken, oder durch Upcycling etwas Neues daraus machen. Erst wenn Textilien wirklich untragbar sind, sollten sie entsorgt werden – und dann fachgerecht, auf dem Recyclinghof.