Wir können uns nur schwer vorstellen, wie es ist, wenn der Lohn kaum für den Lebensunterhalt reicht. Für zahlreiche Menschen, die in der Textilbranche als NäherInnen arbeiten, ist das jedoch bittere Realität. Erschwerend geht der Hungerlohn oft mit langen Arbeitstagen und erzwungenen Überstunden einher. Es kommt vor, dass die überwiegend weiblichen Beschäftigten in den Fabriken von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends arbeiten – in extremen Fällen ohne Pause oder auch 24 Stunden am Stück.
Die internationale Bekleidungs- und Sportartikelindustrie ist seit Jahrzehnten für ihre gesundheitsgefährdenden und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bekannt. Die Kernprobleme der Textilindustrie:
Befeuert werden diese Umstände durch die Globalisierung und globale Produktionsketten innerhalb der Textilindustrie. Diese sind geprägt von Konkurrenz um Märkte sowie Investoren und kurzfristigen Wettbewerbsvorteilen. Menschenrechte kommen da oft zu kurz oder werden hintenangestellt, zum Beispiel wenn das Interesse von Aktionären höher gewertet wird als Mensch und Umwelt und somit in Kauf genommen wird, dass grundlegende Rechte und soziale Standards missachtet werden.
Es gibt drei grundlegende Standards, die internationale Menschen- und Arbeitsrechte vorgeben. Diese beschreiben die Sorgfaltspflicht der Staaten und Unternehmen gegenüber Menschenrechten in ihrer Lieferkette.
Die Menschenrechtserklärung der UN-Vollversammlung besteht aus 30 Artikel. Sie wurde am 10. Dezember 1948 in Paris verkündet. Artikel 1 lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Recht geboren.”
Die „Universal Declaration of Human Rights” beinhaltet grundlegende Ansichten über die Rechte, die jedem Menschen zustehen sollten – „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder Verbot von Diskriminierung nationaler und sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand”. Es handelt sich um eine politische Empfehlung und nicht um eine rechtlich bindende Erklärung.
Artikel 23 beinhaltet das Recht auf Arbeit und gleichen Lohn:
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte wurden 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedet. Hintergrund ist, dass es in globalen Lieferketten vielfach zu Menschenrechtsverletzungen kommt. So ist zum Beispiel die Einhaltung und der Schutz von Arbeits- und Menschenrechten in der Textilindustrie vielerorts nicht gewährleistet.
Die UNGP (UN Guiding Principles of Business and Human Rights) stellen einen globalen Standard zur Behebung und Verhütung von Menschenrechtsverletzungen in Wirtschaftszusammenhängen dar. Die 31 Prinzipien sind in drei Säulen aufgegliedert:
Die ILO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Ihr Auftrag: soziale Gerechtigkeit und Menschen- sowie Arbeitsrechte fördern. Der Internationalen Arbeitsorganisation entspringen auch die „Kernarbeitsnormen”. Diese wurden 1998 in einer Erklärung niedergelegt. Es handelt sich dabei um Sozialstandards im Rahmen der Welthandelsordnung, die menschenwürdige Arbeitsbedingungen und hinreichend Schutz gewährleisten sollen.
Wie wir sehen können, wirken die Grundprinzipien der ILO-Erklärung genau den Problembereichen entgegen, die die Textilindustrie in Bezug auf Mensch- und Arbeitsrecht hat.
Diese Übereinkommen bzw. Verträge, die die Mitgliedsgruppen der ILO getroffen und geschlossen haben, sind verbindliche internationale Rechtsinstrumente. Das heißt die Mitgliedsstaaten müssen diese in nationales Recht umsetzen.
Zudem gibt die ILO Empfehlungen, die als nicht verbindliche Richtlinien dienen. Die Mitgliedstaaten müssen jährlich über ihre Aktivitäten zur Durchsetzung der ILO-Grundprinzipien berichten. Bislang haben über 138 ILO-Mitgliedsstaaten alle Kernabkommen ratifiziert (= in Kraft gesetzt). Es gibt jedoch auch etliche Länder, die nicht alle Kernarbeitsnormen ratifiziert haben.
Große Teile der textilen Produktion wurden und werden von den Konzernen und Unternehmen in Niedriglohnländer ausgelagert. Häufig haben diese Länder einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im globalen Markt: niedrige Kosten für Arbeit und Boden sowie geringe Umweltstandards. Schwache gesetzliche Regelungen und die fehlende Überwachung sozialer Standards tun ihr Übriges.
In vielen Ländern mit großer Textilindustrie verhindert der Staat Kollektivverhandlungen, werden Gewerkschaften zerschlagen oder DemonstrantInnen festgenommen. In korrupten, nicht transparenten Lieferketten kommt es immer wieder zu Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Modern Slavery. Zudem sind Diskriminierungen von Frauen, MigrantInnen sowie sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz an der Tagesordnung.
Im Artikel 23 hält die Menschenrechtserklärung der UN existenzsichernde Löhne als Menschenrecht fest. Die ILO definiert dies ebenfalls als Standard. Vor allem in Asien und Osteuropa liegt der gesetzliche Mindestlohn aber weit unter dem geschätzten existenzsichernden Basis-Lohn.
Der Existenzlohn orientiert sich an den realen Lebenshaltungskosten. Berechnet wird er anhand des Bedarfs einer vierköpfigen Familie: Wie viel Geld braucht die Familie für Ernährung, Wohnraum, Gesundheit, Kleidung, Bildung und Rücklagen?
Die Organisation Fair Wear Foundation (FWF) ist eine niederländische Stiftung, die sich in Zusammenarbeit mit Mode-Marken stark für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche einsetzt. Das Siegel wird dabei nicht für einzelne Produkte vergeben, sondern für in der Textilindustrie tätige Unternehmen.
Aktiv ist FWF dabei in rund 15 Produktionsländern wie Indien, Bangladesch, China und der Türkei. Die Mitglieder müssen als Grundlage der Zusammenarbeit mit der Organisation einem Verhaltenskodex (Code of Labour Practices) zustimmen. Dieser Codex besteht aus den acht Kernarbeitsnormen der ILO.
Als VerbraucherIn kannst du dich in Bezug auf Menschenrechte beim Kleidungskauf am Siegel der Fair Wear Foundation orientieren. Hier findest du eine Übersicht über alle Marken und Labels, die Mitglied der Stiftung sind: https://www.fairwear.org/brands
Auf Instagram gibt die FWF zudem regelmäßig die neuen Mitglieder bekannt:
https://www.instagram.com/p/CPItblLFodD/
Die Missachtung von Menschenrechten und Arbeitsrechten soll in Zukunft kein Wettbewerbsvorteil mehr sein. Mit dem geplanten Lieferkettengesetz sollen deutsche Unternehmen dazu verpflichtet werden, bei ihren Zulieferbetrieben und VertragspartnerInnen. Im Ausland auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz zu achten. Gelten soll das Gesetz voraussichtlich ab dem 1. Januar 2023 für alle Betriebe mit mehr als 3.000 Beschäftigten.
3 Funktionen, die das deutsche Gesetz erfüllen soll:
In einigen europäischen Ländern gibt es bereits Gesetze für die Achtung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Dazu gehören Frankreich, Großbritannien und die Niederlande. In Österreich und der Schweiz sind ähnlich wie in Deutschland ebenfalls Gesetze in Arbeit.
Auch das Europäische Parlament sendet starke Signale für ein europäisches Lieferkettengesetz aus. Demnächst will die EU-Kommission einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorlegen. Ziel ist ein gesetzlicher Kriterienkatalog, der klar definiert was Unternehmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht für Menschen- und Arbeitsrechte konkret zu tun haben.
Quellen zu diesem Thema:
https://www.bpb.de/internationales/weltweit/menschenrechte/38751/textilindustrie?p=0
https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte
https://femnet.de/informationen/themen/unternehmensverantwortung.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/lieferkettengesetz-einigung-103.html
https://bdi.eu/artikel/news/auf-dem-weg-zu-einem-europaeischen-lieferkettengesetz/
https://www.fairwear.org/about-us/labour-standards/
https://saubere-kleidung.de/lohn-zum-leben/