Die Nachfrage nach fairer Mode steigt unter den KonsumentInnen. Sie wollen wissen woraus ihre Kleidung besteht, woher sie kommt und wer sie angefertigt hat. Um relevant und konkurrenzfähig zu bleiben bedeutet das für Unternehmen, sich klar zu den Themen Nachhaltigkeit und Menschenrechte zu positionieren und Verantwortung zu übernehmen. Während das Positionieren fleißig stattfindet – ob Greenwashing oder nicht sei mal dahingestellt – geben sich Unternehmen beim Verantwortung übernehmen eher zurückhaltend.
Die Vereinten Nationen haben 2011 die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte veröffentlicht, in denen die unternehmerische Sorgfaltspflicht verankert ist, aber ein Leitfaden, dessen Einhaltung auf Freiwilligkeit basiert, ist vor allem in der Fast Fashion Welt, wo möglichst viel möglichst billig produziert werden soll, nicht ausreichend. (Das sind die Auswirkungen von Fast Fashion) Deshalb fordern Initiativen, AktivistInnen und BürgerInnen, aber auch Unternehmen, schon seit langer Zeit ein verbindliches Gesetz, dass ArbeitnehmerInnen in der Lieferkette schützt und Unternehmen in die Verantwortung zieht.
Das neu verabschiedete Lieferkettengesetz tritt 2023 in Kraft und gilt für in Deutschland ansässige Unternehmen ab 3.000 MitarbeiterInnen, bzw. ab 2024 für Unternehmen ab 1.000 MitarbeiterInnen. Es orientiert sich an den oben genannten Leitprinzipien der Vereinten Nationen und verpflichtet Unternehmen mit verbindlichen Vorgaben ihre Sorgfaltspflichten einzuhalten.
So kann zum Beispiel bei Verstößen das Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Unternehmen Bußgelder auferlegen, aber auch Betroffene haben es leichter, sich bei Verletzungen oder Bedrohung direkt an BAFA zu wenden oder mit Hilfe von NGOs und Gewerkschaft Klage vor deutschen Gerichten einzureichen. (Menschen- und Arbeitsrechte in der Textilindustrie)
Auf dem Weg hin zum Lieferkettengesetz wurden einige Kompromisse geschlossen, die die ursprünglichen Forderungen stark abschwächen. Viele BefürworterInnen kritisieren diese Schwachstellen. Ein paar dieser Kritikpunkte haben wir hier für euch zusammengetragen.
Vor allem in den ersten Schritten der Lieferkette, im Anbau von Rohstoffen oder Verarbeitung und Produktion, kommt es vornehmlich zu Verletzungen von Menschen- und Arbeitsrechten. (Mehr zu existenzsichernden Löhnen in der Textilbranche) Die Sorgfaltspflichten gelten aber im neuen Lieferkettengesetz nur bedingt für diesen Bereich der Lieferkette. So müssen Risikoanalysen hier nicht präventiv, sondern nur nach Kenntnis von möglichen Menschenrechtsverletzungen durchgeführt werden.
In absehbarer Zeit wird das Lieferkettengesetz nur Unternehmen ab einer Größe von 3.000 bzw. 1.000 MitarbeiterInnen betreffen. Viele kritisieren diesen Ansatz, da auch kleine und mittlere Unternehmen erheblich Schaden an Mensch und Umwelt anrichten (können).
Im aktuellen Lieferkettengesetz werden Umweltaspekte nicht ausreichend behandelt. Die enthaltenen Regelungen dienen vor allem dem Schutz menschlicher Gesundheit, was prinzipiell natürlich wünschenswert ist, aber darüber hinaus werden Regelungen zum Umwelt- und Klimaschutz nicht gesondert thematisiert.
Im Verbotsbestand des Lieferkettengesetzes werden geschlechtsbezogene Diskriminierung und Gewalt nicht aufgeführt, was vor allem in einer Branche wie der Textilindustrie, wo ein Großteil der ArbeiterInnen Frauen sind, nicht den ausreichenden Schutz bietet.
Auch indigene Völker und deren Beteiligungsrechte nach der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden nicht ausreichend bedacht.
Die Initiative Lieferkettengesetz fordert außerdem die Unabhängigkeit des BAFA von der Einflussnahme des Bundeswirtschaftsministerium, welches sich beim Entwurf des Lieferkettengesetzes mehrfach quergestellt habe und dessen Geschäftsbereich das BAFA als Bundesbehörde angehört.
Ja, es wurden viele Kompromisse gemacht und nein, perfekt ist das Lieferkettengesetz noch nicht. Aber es trägt entscheidend zu einem längst fälligen Paradigmenwechsel bei, weg von freiwilliger Corporate Social Responsibility und so manchen leeren Worten, hin zu echter Verantwortung. (So funktioniert eine textile Wertschöpfungskette)
Das Ziel ist aber sicherlich noch nicht erreicht. Schwachstellen müssen in der Zukunft noch ausgebessert werden, zum Beispiel durch das Einführen einer uneingeschränkten Sorgfaltspflicht für die gesamte Lieferkette mit mehr Transparenz, die keinen Raum für plausible deniability (glaubhafte Abstreitbarkeit) lässt.