„Take-Make-Waste” – so beschreiben viele KritikerInnen unser lineares Wirtschaftssystem. Wir nehmen uns die Ressourcen, die wir brauchen (Take), stellen daraus Produkte her (Make) und wenn das Produkt ausgedient hat, dann schmeißen wir es weg (Waste). In einer Welt, in der unsere Ressourcen unendlich sind und Müll sich von alleine auflöst, würde das auch so funktionieren. Die Realität sieht aber anders aus: Ressourcen werden knapp, der ständige Abbau von Rohmaterialien schadet unserer Umwelt und Müll sammelt sich in solchen Massen, dass sich Müllinseln in den Weltmeeren bilden. Die Alternative: eine kreislauffähige Wirtschaft, in der Müll nicht gleich Müll ist, sondern als Ressource für neue Produkte dient. Wie das funktionieren kann, zeigt das „Cradle-to-Cradle ” Prinzip.
Cradle-to-Cradle bedeutet wörtlich übersetzt „Von der Wiege zur Wiege” und beschreibt ein besonderes Designprinzip: Produkte sollen so entwickelt werden, dass sie am Ende ihres Lebens den Nährstoff für ein neues Produkt bieten, entweder über einen biologischen Kreislauf oder einen technischen Kreislauf. Anders als bei anderen Ansätzen der Kreislaufwirtschaft soll es dabei nicht nur darum gehen, den Schaden, wie z.B. die CO2-Bilanz eines Unternehmens zu verringern, sondern auch eine Verbesserung der Qualität und der Langlebigkeit von Produkten zu bewirken. Wie das ganze aussehen kann, lässt sich am besten an zwei Beispielen erklären.
Im biologischen Kreislauf geht es um Verbrauchsgüter, also all jene Güter, die in ihrer Lebenszeit verbraucht und tendenziell ein kürzeres Leben haben. Dazu zählen auch Kleidungsstücke. Wird ein T-Shirt aus Naturfasern hergestellt, das bedenkenlos nach seinem Gebrauch wieder der Umwelt zugefügt werden kann, dann entsteht daraus der Nährboden für neue Naturfasern, aus denen neue T-Shirts geschaffen werden können.
Im technischen Kreislauf redet man hauptsächlich von Gebrauchsgütern, wozu Elektronikartikel wie Waschmaschinen oder Computer gehören, die für einen längeren Gebrauch im Haushalt bestimmt sind. Hier ist es wichtig, Geräte so zu designen, dass sie am Ende ihrer Nutzungsphase problemlos in ihre einzelnen Ausgangskomponenten zerlegt werden können, die dann für neue Produkte verwendet werden, ohne dass ein Qualitätsverlust entsteht. Ein Beispiel dafür ist modulares Design wie beim Fairphone, bei dem das Handy aus Modulen zusammengestellt wird, die leicht auseinandergenommen und ausgetauscht werden können, sollte mal ein Modul, z.B. die Kamera, kaputt gehen.
Das Zertifikat zeichnet Produkte aus, die dem Cradle-to-Cradle Designprinzip entsprechen. Dabei werden fünf verschiedene Kategorien überprüft.
In jeder Kategorie kann ein Produkt eine von vier Zertifizierungsstufen erreichen: Bronze, Silber, Gold und Platin. Die niedrigste Stufe, die in einer Kategorie erreicht wird, gilt für das gesamte Produkt. Getestet und bewertet werden die fünf Kategorien von akkreditierten Begutachtern weltweit. Alle zwei Jahre muss die Zertifizierung erneuert werden.
„Cradle-to-Cradle Certified” ist ein unabhängiges Zertifikat des Cradle-to-Cradle Products Innovation Institute und kann von akkreditierten Begutachtern vergeben werden. Dazu gehört zum Beispiel die Environmental Protection Encouragement Agency, kurz EPEA, die Ende der 80er Jahre von Dr. Michael Braungart mit der Motivation gegründet wurde, nicht nur auf Umweltprobleme aufmerksam zu machen, sondern gemeinsam mit Unternehmen innovative Lösungen zu entwickeln. Es war auch Dr. Michael Braungart, der zusammen mit William McDonough das Cradle-to-Cradle Designprinzip entwickelt hat.
Auch Cradle-to-Cradle Certified ist nicht der Heilige Gral der Zertifikate. Für manche sind die Kriterien vielleicht zu niedrig gesetzt; für die Bronzestufe müssen oftmals nur kleine prozentuale Anteile des Produkts bestimmte Kriterien erfüllen. Gleichzeitig kann das natürlich auch als Stärke angesehen werden. Kein Unternehmen und kein Produkt sind perfekt, aber es ist das Streben nach Besserung, die Zertifikate wie Cradle-to-Cradle Certified versprechen. Und in einer Welt, in der Beteuerungen von perfekt nachhaltigen Produkten oft nichts anderes als Greenwashing sind, sind unabhängige Zertifikate wie Cradle-to-Cradle Certified wertvoller denn je.