Das Potential der Naturfaser Baumwolle als umweltfreundliches und biologisch abbaubares Material für Textilien könnte enorm sein. Voraussetzung für die Ausschöpfung dieses Potentials wären ökologische Formen der Landwirtschaft, eine umweltschonende Wasserbewirtschaftung, die Schonung landwirtschaftlichen Bodens durch nachhaltige Fruchtfolge und der Verzicht auf chemisch-synthetische Düngemittel, Insektizide und Pestizide.
Und ja, Bio-Baumwolle wird so produziert. Jedoch lediglich zu weniger als einem Prozent. Die restlichen gut 99% der jährlich 26 Millionen Tonnen Baumwolle wird auf konventionelle Art gewonnen.
Es existieren enorm viele Mythen zum Thema Baumwolle, die nicht mit der Realität übereinstimmen. Ein Grund dafür ist, dass sich die Auswirkungen je nach Region sehr stark unterscheiden – häufig sogar innerhalb eines Landes. Allgemein angewandte Durchschnittswerte oder Informationen, die aus dem Kontext gerissen werden, verstärken das Problem. So muss bei Baumwolle zusätzlich zwischen konventionell angebauter und biologisch angebauter Baumwolle unterschieden werden.
Besonders im Thema Wasserverbrauch existieren zahlreiche Falschinformationen. Der Wasserbedarf in der Produktion von Baumwolle ist nämlich extrem unterschiedlich: Er hängt von der Baumwollsorte, der Produktionsart und der Region, in der die Baumwolle angebaut wird. Zwar ist auch Bio-Baumwolle immer noch eine Pflanze, die Wasser benötigt, jedoch wird die Bewässerung im Mittel zu größten Teilen über Regenwasser bewerkstelligt.
Bio-Baumwolle wird zu 75% in kleinbäuerlichen Betrieben angebaut. In der konventionellen Baumwollproduktion würden diese sich nicht tragen. Im Bio-Anbau funktioniert das jedoch. Siegel wie GOTS garantieren existenzsichernde Löhne und faire Arbeitsbedingungen auf allen Stufen der Lieferkette. Der Verzicht auf synthetische Pestizide und Dünger schafft außerdem ein gesundes Arbeitsumfeld für die LandwirtInnen, ihre Familien und ihr soziales Umfeld.
Anders sieht die Lage bei konventioneller Baumwolle aus: 25,7 Millionen Hektar Baumwoll-Anbaufläche (79%) waren im Jahr 2019 laut der Datenbank TransGen mit genmanipulierter Baumwolle bepflanzt. Genmanipulation erfolgt mittels Übertragung eines bakteriellen Gens auf das Saatgut, durch das sich in der Pflanze eine Resistenz gegen Schädlinge herausbildet. Die Chemikalien werden en Masse auf die Felder gespritzt und richten enorme Schäden an Flora und Fauna an und bewirken die Vergiftung des Grundwassers.
Eine andere Art genmanipulierter Baumwolle ist die BT-Baumwolle. Hier wird ein Gen aus dem Bodenbakterium Bazillus thuringiensis in die Baumwolle übertragen. In Folge bildet die Pflanze selbst ein Gift, das Fressfeinde nach Verzehr der Pflanze tötet. Auch wachsen aus den Samen gentechnisch manipulierter Pflanzen keine neuen Pflanzen heran. Das zwingt die LandwirtInnen in eine Abhängigkeit von den großen Saatgut-Herstellern.
Obgleich die weltweite Anbaufläche für konventionelle Baumwolle mit gut 30 Millionen Hektar (entspricht 2,4% aller agrarischen Nutzflächen) verhältnismäßig klein ist, werden erhebliche Mengen des Jahresaufkommen an Schädlingsbekämpfungsmittel auf Baumwollfeldern eingesetzt. Wie das Umweltinstitut München feststellt, wird konventionelle Baumwolle pro Saison durchschnittlich 20-mal mit Pflanzenschutzmitteln aller Art besprüht.
Nötig macht das die extensive Monokultur, die zahlreiche Schädlinge (bspw. den Baumwollkapselkäfer) anzieht. Im Gegensatz dazu ist der Einsatz von chemisch-synthetischen Stoffen aller Art im Anbau von Bio-Baumwolle verboten.
LandwirtInnen behelfen sich in der Schädlingsbekämpfung mit natürlichen Mitteln. So werden zum Beispiel zwischen den Baumwollpflanzen auch andere Pflanzen angebaut, die Schädlinge lieber befallen als die Baumwollpflanzen. Gedüngt wird mit organischen Stoffen wie Kuhdung und kompostierten Ernterückständen. Das erhöht die Bodenstabilität und führt dazu, dass der Boden deutlich mehr Wasser speichern kann und ihm in Folge weniger bewässert werden muss. Auch bewirkt der Verzicht auf Chemikalien aller Art eine immense Ersparnis an Energie und der Emission von Treibhausgasen, die unter anderem bei der Produktion von Stickstoffdünger anfallen.
Baumwolle benötigt Wasser – wie jedes andere Lebewesen auch. Allerdings weniger als andere, denn Baumwolle ist ein Xerophyt. Der Begriff beschreibt Pflanzen, die eine hohe trockenheitstoleranz vorweisen und so auch in trockenen Klimazonen überleben. Trotzdem haftet an Baumwolle das Vorurteil der “durstigen” Pflanze: Das kommt daher, dass Baumwolle oft in Gegenden mit Wasserstress angebaut wird, gerade weil es eine der wenigen Pflanzen ist, die in dieser Umgebung wachsen können. Wasserstress entsteht dann, wenn der Wasserbedarf die verfügbare Menge in einem bestimmten Zeitraum übersteigt, aber auch wenn schlechte Qualität die Menge beschränkt.
Ein weiterer Grund, wieso die Baumwollpflanze vorwiegend in tropischen und subtropischen Gebieten angebaut, ist, da sie gerade bei der Aussaat und dem Wachstum viel Feuchtigkeit und im Reifestadium viel Wärme benötigt. Deshalb ist es extrem wichtig zwischen den Regionen zu unterscheiden und keine allgemeinen Aussagen zum Wasserbedarf von Baumwolle zu machen. Der Wasserverbrauch im Anbau hängt neben dem Anbaugebiet auch vom jeweiligen Bewässerungssystem und der Wassernutzung ab. Kommt die Faser aus einer Region, in der viel Wasser vorhanden ist oder wo die Wasserressourcen verantwortungsvoll bewirtschaftet werden, kann sie durchaus umweltfreundlich sein.
Allerdings wird ein großer Anteil der weltweiten Baumwolle konventionell in industriellen Monokulturen angebaut, die vorwiegend künstliche Bewässerung einsetzen, um das Wachstum der Pflanzen unabhängig von Niederschlägen steuern zu können. Problematisch ist auch, dass die Felder nicht gezielt bewässert, sondern geflutet werden. Im Textilproduktionsland Pakistan beispielsweise werden 90 % des Wassers, das aus dem Indus entnommen wird, für die Landwirtschaft verwendet. Die Felder erreicht allerdings nur ein Drittel davon. Der Rest verdunstet oder versickert auf dem Weg dorthin.
Die Autoren von “Cotton: A Case Study in Misinformation” fordern daher differenziertere Lösungen, statt die LandwirtInnen einfach aufzufordern weniger Wasser zu verbrauchen. Es ist das umweltschonende Wassermanagement das zu umweltfreundlichen Fasern führt: So wird im indischen Bundesstaat Gujarat zum Beispiel die Umstellung von ineffizientem Wassermanagement auf Tropfbewässerung von der Regierung gefördert.
Im Anbau und der Ernte von konventioneller Baumwolle, sowie im weiteren Verlauf der Produktionskette, sind Zwangs- und auch Kinderarbeit keine Seltenheit. 106 Millionen KinderarbeiterInnen sollen weltweit in der Landwirtschaft beschäftigt sein. Ein nicht unerheblicher Teil davon auf Baumwollplantagen. Fast eine halbe Million Kinder sollen allein in Indien an der jährlichen Baumwollproduktion beteiligt sein. (Warum Moderne Sklaverei uns alle betrifft)
In Uzbekistan, dem sechstgrößten Baumwollexporteur weltweit, wurde die Baumwollernte noch bis vor kurzem von der Regierung angeordnet. Millionen von UzbekInnen — ÄrztInnen, StudentInnen, LehrerInnen — mussten für zwei Monate, von September bis November, ihre zivilen Jobs ruhen lassen und in Zwangsarbeit Baumwolle ernten.
Auch von hunderttausenden ZwangsarbeiterInnen auf den Baumwollfeldern im chinesischen Xinjiang (China stellt ein Fünftel der weltweiten Baumwollproduktion) wird berichtet. Die meisten von ihnen sind Angehörige einer muslimischen Minderheit in China, den Uiguren, die systematisch verfolgt und unterdrückt werden.
Dass ArbeiterInnen in der textilen Produktionskette häufig ungeschützt mit schädlichen Insektiziden in Berührung kommen, sei es nun im Anbau und der Ernte von Baumwolle oder in der Weiterverarbeitung (z.B. beim Färben) ist ebenfalls trauriger Fakt. (Das sind die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass es in Entwicklungsländern jedes Jahr zu ca. 25 Millionen akuter Vergiftungsfälle beim Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln kommt und weltweit ca. 20.000 Todesfälle zu beklagen sind.
Zudem: Auch wer nicht stirbt, trägt ein erhebliches Risiko zu erkranken (Krebs, Parkinson, Alzheimer oder Unfruchtbarkeit sind mögliche Folgen der Arbeit mit Pestiziden).
Wir können Marken unterstützen, die auf Bio-Baumwolle setzen. Drei Jahre benötigen LandwirtInnen für den Umstieg von konventioneller zu bio-zertifizierter Baumwolle. Denn solange braucht es, die Böden von den synthetisch-chemischen Giftstoffen zu reinigen, die zur Düngung und zum Pflanzenschutz gespritzt wurden.
Für einen solchen Schritt muss es neben der verbesserten Gesundheit der LandwirtInnen natürlich auch einen finanziellen Anreiz geben. Dass fair gehandelte Produkte aus biologischer Produktion manchmal ein wenig teurer sind, sollten wir in also Kauf nehmen. Auch enthalten in diesem Mehrpreis: gesunde Arbeitsbedingungen in den Anbauländern, existenzsichernde Löhne für die ArbeiterInnen, saubereres Wasser, sauberere Luft und bessere Böden.
Also beim nächsten Kleidungskauf auf das Bio-Siegel achten. Nur auf welches?
Aus den Samen nicht genmanipulierter Bio-Pflanzen wachsen neue Pflanzen, was einen natürlichen Kreislauf ermöglicht. Die Fairtrade- und Bio-Siegel GOTS (Global Organic Textile Standard) und OCS (Organic Content Standard) lassen die von ihnen zertifizierten Produkte seit 2019 entlang der kompletten Lieferkette nach dem ISO IWA 32-Protokoll auf gentechnisch veränderte Organisamen (GMO) testen. Dieses normierte Testverfahren wird weltweit bislang in 14 Laboren (in China, Deutschland, Indien, den Niederlanden und Portugal) durchgeführt und soll die vollständige Absenz von GVOs sicherstellen.
In der Vergangenheit waren auch in Bio-zertifizierter Baumwolle immer wieder GVOs nachgewiesen worden. Was auch daran lag, dass genverändertes Saatgut über den Pollenflug von einem Feld auf ein anderes gelangen kann. Das ISO IWA 23:2019-Testverfahren, das GOTS, OCS und Textile Exchange zusammen ins Leben riefen, soll gentechnisch modifizierte Baumwolle komplett aus der Lieferkette ausschließen.
Als besonders vertrauenswürdige Textil-Siegel gelten nach einer Recherche von Greenpeace aus dem Jahr 2018 neben dem Global Organic Textile Standard (GOTS) auch das IVN-Best-Abzeichen sowie MADE IN GREEN by OEKO-TEX®, ein nachverfolgbares Produktlabel für alle Arten von Textilien (z.B. Bekleidung und Heimtextilien) und Lederartikel aller Vorstufen (z.B. Bekleidung, fertiges und halbfertiges Leder) inklusive verwendeter Zubehörmaterialien. Mit dem MADE IN GREEN Label wird auch der Nachweis erbracht, dass ein Artikel auf Schadstoffe getestet wurde. (Erfahre mehr zu den Nachhaltigkeitssiegel in der Textilindustrie)