Die Modebranche arbeitet unter Zeitdruck: 100 Milliarden Kleidungsstücke werden jährlich produziert. Die Kollektionen kommen in immer kürzeren Abständen und größeren Volumen und meist sinkender Qualität auf den Markt, sodass die Kleidungsstücke schneller ausgetauscht werden müssen. Bei manchen Modekonzernen sind es 20 Kollektionen pro Jahr, bei anderen immerhin noch 16. Immer schneller, immer mehr – daraus entstand der Begriff Fast Fashion.
Fast Fashion steht für kurzlebige Kleidungsstücke, die in Massenproduktion in Niedriglohnländern hergestellt werden und daher günstig erhältlich sind. Und zwar so günstig, dass die VerbraucherInnen keine Kaufreue mehr empfinden, auch wenn das Shirt schon beim zweiten Waschgang auseinanderfällt. Früher war das anders: Für die breite Bevölkerungsschicht gab es keine modische Kleidung, diese konnte sich nur die Oberschicht leisten.
Heute sind dank Fast Fashion trendige Kleidungsstücke und Accessoires bereits für ein kleines Budget erhältlich. Billige Ware, geringe Qualität und die schnell wechselnden Trends führten dazu, dass die Modebranche in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasend schnell gewachsen ist. Die Modekonzerne unterbieten sich gegenseitig mit noch tieferen Preisen, die Auswirkungen tragen Umwelt und ArbeiterInnen. Kaufrausch, kombiniert mit kurzer Tragedauer, hat schwerwiegende Folgen: Laut Fashion United produziert Europa jährlich 2 Millionen Tonnen Textilmüll – und die Müllberge wachsen.
Die Blütezeit der Fast Fashion begann Anfang 2000 als Polyester Baumwolle als meistgefragte Faser überholte. Polyester ist ein billiger Rohstoff und vielseitig einsetzbar. Allerdings ist Polyester eine synthetische Faser, die aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird und hat laut Ellen MacArthur Foundation einen fast dreimal höheren CO2-Ausstoß zu verbuchen als zum Beispiuel Baumwolle. Für kunststoffbasierte Fasern für Textilien werden jährlich über 350 Millionen Barrel Öl verbraucht, was etwa 55 Milliarden Liter Erdöl entspricht.
Der hohe Verbrauch von fossilen Brennstoffen ist aber nicht das einzige Problem. Kleider, die aus synthetischen Fasern und Mischfasern hergestellt werden, verrotten nicht oder nur teilweise, noch können sie mit derzeitigen industriellen Verfahren recycelt werden. Damit wird die Mode zum Einweg-Ticket Richtung Müll.
Auch konventionelle Viskose, die künstlich aus Holzfasern hergestellt wird, ist nur auf dem ersten Blick ein umweltfreundlicherer Stoff als Polyester. Bei der Produktion werden unglaubliche Mengen an giftigen Chemikalien benötigt, die der Umwelt schaden, aber auch gesundheitliche Schäden bei den ArbeiterInnen verursachen.
Mode hat gewaltige Auswirkungen auf die Umwelt. Es ist nicht nur die Produktion, die eine Menge Chemikalien verwendet, auch für die Veredelung der Textilien werden sie eingesetzt. Schutz gegen Schädlinge, ein Weichmacher; Färbemittel und ein Mittel gegen das Verfilzen – um nur einige zu nennen. Das Grundproblem in vielen asiatischen und südostasiatischen Produktionsländern ist die schwache gesetzliche Regulierung von Umweltstandards sowie die Kontrolle, daher gibt es immer noch viele Probleme mit der zweckmäßigen Entsorgung von verschmutztem Abwasser aus der Produktion – so gelangen Chemikalien in produktionsnahe Gewässer. Dies hat wiederum Auswirkungen auf das Ökosystem, Trinkwasser für Tiere und Menschen sowie ansässigen Landwirtschaften, die das Wasser zur Bewässerung ihrer Parzellen benötigen.
Doch das passiert nicht nur während der Produktion, sondern auch in der Nutzungsphase: Wenn wir ein Kleidungsstück aus synthetischen Fasern wie Polyester tragen, setzt es Mikroplastik frei. Besonders groß ist dieser Anteil während des Waschens: Laut Bund für Umwelt und Naturschutz werden abhängig von der Textilart geschätzt bis zu 3.000 Fasern pro Waschgang freigesetzt. Studien – so der Bund für Umwelt und Naturschutz – haben auch gezeigt, dass Fasern nicht vollständig in Kläranlagen entfernt werden können und häufig in gereinigtem Abwasser zu finden sind.
Das Problem Mikroplastik wird auch nicht bei der Entsorgung gelöst, denn die Kleidungsstücke liegen zunächst viele Jahre auf den Müllhalden, bis sie sich zersetzen und als winzige Mikroplastikpartikel wieder ins Ökosystem gelangen.
Die Mikroplastikfasern sind so klein, dass sie von der Umwelt aufgenommen werden. Dort schädigen sie Organismen und werden über die tierische Nahrungskette verbreitet.
Das hat auch Konsequenzen für uns Menschen. So wurde in einer aktuellen Untersuchung der Zeitschrift Environment International Mikroplastik bereits in der Plazenta von Müttern ungeborener Babys gefunden.
Fast Fashion bedeutet nicht nur Ausbeutung und Schädigung der Natur, sondern auch die der ArbeiterInnen. Schnell wechselnde Kollektionen sind nur möglich, wenn die HerstellerInnen kurze Lieferzeiten einhalten, die meist eine unangemessen hohe Zahl an Überstunden für die ArbeiterInnen bedeuten. Die Praktiken orientieren sich am Ziel, die Verkaufspreise möglichst niedrig zu halten. Das bedeutet, existenzsichernde Löhne für die ArbeiterInnen werden nicht kalkuliert. Diese Praktik nennt sich „Race to the Bottom“, das heißt, werden die Löhne in einem Land zu teuer, gehen die Firmen in ein anderes Billiglohnland.
Es gibt Bemühungen, um die Verschmutzung mit Mikroplastik zu minimieren. Der Patagonia Guppy Friend beispielsweise ist ein Waschsack, der die Fasern auffangen soll. Andere fokussieren sich auf Filter in der Waschmaschine, die die Fasern sammeln und zu Isolierungen verarbeiten. Fakt ist allerdings: Nur die drastische Reduzierung des Einsatzes von Kunststoffen in der Textilindustrie könnte das Problem nachhaltig bei den Wurzeln packen.
Das Thema Nachhaltigkeit wird bei VerbraucherInnen immer wichtiger. Die Modebranche reagiert darauf und wirbt damit, recyceltes Polyester zu verwenden. Das Problem: Dieses stammt fast komplett aus recycelten PET-Flaschen. PET-Flaschen lassen sich zwar in einem Kreislaufsystem gut wiederverwenden, nicht aber wenn sie für einen anderen Zweck wie zum Beispiel Kleiderherstellung verwendet wird. In dem Fall landet das Plastik trotzdem irgendwann auf dem Müll.
Auch angebliches Echtzeit-Recycling ist vorwiegend Greenwashing. Eine sogenannte Loop-Maschine bei H&M zum Beispiel schreddert die Altkleidung, die dann mit neuen Materialien gemixt zu einem neuen Kleidungsstück wird – das alles vor den Augen der KundInnen. Allerdings kann bei Polyester-, Baumwoll- und Wollfasern maximal 20 bis 30 Prozent recycelt werden. Es bleibt fraglich, ob diese Ansätze langfristig die Probleme der Fast Fashion lösen werden. Das Gegenteil könnte eintreten. So wirkt es auf die KonsumentInnen, als sei die Wegwerfmentalität kein Problem, da eine Maschine die Textilien einfach recyceln kann.
Im Januar 2021 hat die Europäische Kommission einen Fahrplan zur EU-Strategie für nachhaltige Textilien präsentiert. Besonders im Fokus steht die Kreislaufwirtschaft, die darauf abzielt, dass Produkte innerhalb eines Kreislaufs wiederverwendet und recycelt werden, sodass kaum Abfälle entstehen.
Die Stiftung Changing Markets zeigt in ihrem aktuellen Report Fossil Fashion, welche Schwerpunkte unter anderen in die Strategie aufgenommen werden sollten, um nachhaltigen Wandel zu erreichen:
Doch damit die Modeindustrie von Fast Fashion wegkommt, sind auch die KonsumentInnen gefragt, ihr eigenes Konsumverhalten zu überdenken. Was brauche ich wirklich? Wie lange trage ich meine Kleider? Weiß ich, wie meine Kleider hergestellt werden und welche Materialien benutzt werden? Erst wenn alle Bemühungen gemeinsam angegangen werden, kann ein nachhaltiger Wandel geschehen.